Wie statt Ob — Politik machen während und nach Corona
Mit Julia Post
Auf dem Höhepunkt des Kommunalwahlkampfs in München stoppt uns im März 2020 die Corona-Pandemie. Statt nochmal alle Kräfte zu mobilisieren, sind wir zur Kontaktbeschränkung in den eigenen vier Wänden verdammt. Die Wahl selbst findet statt und im Mai werde ich als ehrenamtliche Stadträtin vereidigt. Als stärkste Fraktion stehen wir nun auch in Regierungsverantwortung. Unter außergewöhnlichen Bedingungen trete ich meine neue Aufgabe an. Wenn ich in diesem Zusammenhang auf das Jahr 2020 zurückblicke, dann sind mir diese drei Punkte besonders präsent:
„Wir wissen es nicht“
Noch nie habe ich so häufig Politiker*innen diesen Satz sagen hören. Das kann sich in diesen Krisenzeiten natürlich beunruhigend anfühlen, denn es wird nicht sofort eine — manchmal auch nur scheinbare — Lösung präsentiert, die uns Sicherheit vermittelt bzw. vermitteln soll. Für mich hat der Satz aber auch ganz viele Räume geöffnet: Wir haben uns als Gesellschaft gemeinsam auf Spurensuche begeben nach Lösungen. Ich habe eine große Offenheit gespürt, Ideen waren willkommen und wurden auch tatsächlich aufgenommen und umgesetzt. Das hat in vielen Bereichen bewiesen: Es geht ja doch! Ich denke beispielsweise an unser Programm Sommer in der Stadt in München, mit dem endlich auch Stadtteile einen Kiezcharakter bekommen haben und sich nicht alles immer nur in der Innenstadt abspielte. Mit dem der öffentliche Raum als Aufenthaltsort wahrgenommen und gestaltet wurde. Es ist kein Makel, etwas nicht zu wissen. Es sollte mehr um‘s gemeinsam herausfinden und ausprobieren wollen gehen. Das muss dann aber auch in öffentlichen Debatten mehr honoriert werden. Sonst werden die Floskeln und Schein-Lösungen wieder nur so sprudeln...
„Vorbeugen ist besser als Heilen“
Corona hat den Wert von Vorsorge und Prävention sichtbar gemacht. Im März mit viel zu alten Pandemie-Strategien und fehlenden Masken. Aber auch während der Pandemie, bspw. zu Beginn der zweiten Welle: Warum gibt es keinen Plan für Reiserückkehrer*innen, für Schulen, für den Schutz von Risikogruppen...für das Leben mit der Pandemie an sich? Mein Eindruck ist, dass der politische Betrieb ziemlich auf die Rolle des akuten Krisenmanagements gepolt ist: Wenn das Problem da ist, braucht es Führungsstärke und es soll eine Lösung präsentiert werden (siehe oben). Prävention findet mehr im Hintergrund statt und meist dann, wenn es (noch) kein (sichtbares) Problem gibt. Damit gibt es politisch für die handelnden Akteure keinen Blumentopf zu gewinnen, denn dieser Einsatz ist nicht sichtbar. Wie können wir den politischen Betrieb so gestalten, dass genau diese Hintergrundarbeit mehr honoriert wird? Denn genau solche vorausschauenden Akteure wollen wir doch in politischer Verantwortung sehen.
It’s all about the people
Gefühlt habe ich dieses Jahr kaum neue Menschen kennengelernt. Natürlich neue Namen, neue Gesichter. Auf dem Bildschirm. Aber das schafft nicht die gleiche Nähe, nicht die gleiche Vertrautheit. Und auch zu bestehenden, vertrauten Kontakten ist es schwieriger geworden, zu vermitteln, warum wir zu diesem oder jenem Entschluss gekommen sind, was mich bewegt, an was ich arbeite. Feedback zur eigenen Arbeit musste ich mir sehr viel gezielter einholen. So erhält man aber auch weniger Rückmeldung zu dem, wonach man selbst vielleicht gar nicht gefragt hat. Diese Qualität von politischer Arbeit, die auf sehr viel Kommunikation und Austausch mit den verschiedensten Menschen und auf Vertrauen fußt, ist mir in diesem Pandemie-Jahr besonders bewusst geworden. So begeistert ich von dem Digitalisierungsschub im politischen Alltag bin, so schmerzlich vermisse ich aber auch diesen Wert des persönlichen Miteinanders. In diesem Sinne habe ich mir die Utopie-Konferenz schon ganz fett in meinem Kalender eingetragen und hoffe, dass genau diese Formate in physischer Präsenz in 2021 wieder vermehrt möglich sein werden. Ich freue mich auf nette Zufallsbekanntschaften und jede Menge Inspiration, Ideen und Resonanz.
Veröffentlicht von:
Coronatagträume
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