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Jojo Linder über den Weg vom Skate-Event zur Revolution der Toilette mit Kompotoi

Irgendwann stand ich wieder während eines Events vor so einer Plastik- / Chemie-Toilette und dachte mir: „Das kann‘s doch nicht sein“.

Kompotoi vermietet, plant und verkauft Komposttoiletten und die sehen nicht nur gut aus, sie sind umweltfreundlich und absolut geruchsfrei. Zusätzlich sorgen sie dafür, dass aus dem "Human Output" ein Bodenverbesserer wird und schließen so einen wichtigen natürlichen Kreislauf. Über die Hintergründe berichtet Jojo Linder im Interview.



Interview: Daniela Mahr, September 2020. Foto: Cathia Corti

Seit wann gibt es Kompotoi und wer steht dahinter?


Dahinter stehen der Umweltingenieur Marcos Garcia Tomé und ich. Wir haben 2012 den Verein Kompotoi ins Leben gerufen, um zu prüfen, ob es möglich ist, mobile Toiletten in schön und ökologisch anzubieten. Es hat etwa vier Jahre und sieben Prototypen gedauert, bis wir sicher waren, dass es funktioniert. 2016 haben wir dann zu zweit die Firma Kompotoi gegründet.

Es hat etwa vier Jahre und sieben Prototypen gedauert, bis wir sicher waren, dass es funktioniert.


Wie funktioniert das System dahinter?


Es ist wirklich sehr einfach. Wir haben nur eine mobile Variante entwickelt. Wir importieren aber auch verschiedene andere Modelle.
Ich gebe euch zwei Beispiele:

1. Die mobile Toilette funktioniert so, dass wir eine möglichst hoheKapazität haben, die einfach geleert werden kann. Gleichzeitig sollte nicht zu viel Urin im Behälter stehen, denn sonst beginnt es zu stinken. Deshalb freuen wir uns, wenn jede:r Benutzer:in sein/ihr Geschäft mit einer kleinen Schaufel Hobelspäne abdeckt.

2. Das Mehrfamilienhaus mit Abwasserreinigung durch Kompostierung funktioniert so, dass anstatt einer Abwasserleitung zwei geführt werden: Eine mit Schwarzwasser (also Toiletteninhalt) und eine mit Grauwasser (Duschwasser, Waschbecken usw…). Das Schwarzwasser wird auf einen Wurmkomposter geleitet. Dort sickert das Wasser auf einen Wasserfilter. Die Feststoffe bleiben liegen und werden von den Würmern verarbeitet. Das Beste daran ist, dass die Würmer sehr gefräßig sind und alles verarbeiten, bis am Schluss kaum mehr etwas übrig ist.
Das Grauwasser läuft ebenfalls direkt auf den Wasserfilter. 
Einziger Nachteil bei diesem System ist, dass nicht mit starkem Waschmittel gewaschen werden sollte. Ansonsten funktioniert das System einwandfrei, wie mehrere Gebäude in der Schweiz beweisen. 
Dazu noch die Anmerkung, dass dieses System nicht von uns entwickelt wurde, wir es aber natürlich sehr gerne verbreiten.

Irgendwann stand ich dann wieder während eines Events vor so einer Plastik- / Chemie-Toilette und dachte mir: „Das kann‘s doch nicht sein, da gibt es so viel bessere Lösungen“.


Wie kamst du auf die Idee? Was war dein Weg dorthin und was hast du davor gemacht?

Meine Erstausbildung habe ich zum Elektriker gemacht. Angetroffen hat man mich aber hauptsächlich auf dem Skate- oder Snowboard. Ich habe auch jahrelang Skateboard-Events organisiert und war Freelancer bei vielen Veranstaltungen. Irgendwie wollte ich aber mehr machen und habe mich ehrenamtlich in der Entwicklungshilfe engagiert. Dort wurde ich dann auf das System der Permakultur aufmerksam. Ich habe dann einige Workshops und Praktika dort gemacht und so auch die Komposttoilette kennengelernt. Irgendwann stand ich dann wieder während eines Events vor so einer Plastik- / Chemie-Toilette und dachte mir: „Das kann‘s doch nicht sein, da gibt es so viel bessere Lösungen“. Und scheinbar auch einen Markt dafür. Das sollte anders werden.

Wenn du zurückdenkst: Wo hast du auf dem Weg zur Gründung und bis heute Informationen und Unterstützung erhalten?


Ich habe durch meine Offenheit und von meiner aktiven Skateboard-Zeit sehr viele Freunde, auf die ich immer wieder zurückkommen durfte. Auch das Impact Hub in Zürich hat uns in vielen Belangen immer wieder Türen geöffnet. 



Und was würdest du sagen, waren bislang deine und eure größten Lerneffekte auf dem Weg?

Das ist schwierig zu sagen. Am Anfang wären wir sehr froh über mehr finanzielle Förderung gewesen. Als wir dann ein Jahr später zurückgeblickt haben, waren wir teilweise froh, dass wir nicht mehr Fehler gemacht haben, einfach, weil wir die Ressourcen nicht hatten.

Die Vision der Zukunft ist, dass wir fair sind zueinander und nicht ein Teil der Welt ausgebeutet wird und an anderen Orten die Menschen in Saus und Braus leben.



Wie ist deine Vision für die Zukunft und welchen Beitrag leistet Kompotoi dazu?


Die Vision der Zukunft ist, dass wir fair sind zueinander und nicht ein Teil der Welt ausgebeutet wird und an anderen Orten die Menschen in Saus und Braus leben. Alle können so leben, wenn wir die Natur als Vorbild nehmen. Das machen wir bei Kompotoi. Wer hat‘s erfunden? Nicht die Schweizer. Adam und Eva oder es ist einfach von der Natur so vorgesehen, dass wir den natürlichen Kreislauf schließen. 



Wo soll die Reise für Kompotoi in den nächsten Jahren hingehen? Und wie kann man euch auf diesem Weg unterstützen?

Im Moment skalieren wir extrem. Das braucht Menschen, Geld, Platz und natürlich Kund:innen und die müssen auch noch wissen, dass es uns gibt.
Wir sind auf der Suche nach passenden Partnern auf der ganzen Welt. Unser System ist einfach zu adaptieren. Wenn die Menschen die Richtigen sind, die dahinterstehen, funktioniert das überall.

Wir sind froh, wenn möglichst viele über dieses Thema sprechen, dass es machbar ist, den „Human Output“ zu rezyklieren. Zudem wollen wir nicht mehr abhängig sein von Phosphor- und Stickstoff-Importen.
Jetzt ist es wichtig, dass wir es erstens hier in der Schweiz gut auf den Boden bringen. 
Zweitens, dass die Leute davon erfahren und drittens, dass wir die richten Partner finden, operativ, aber auch finanziell.

Was würdest du jemandem empfehlen, der/die selbst eine Idee hat und ein eigenes Projekt starten möchte?

1. Erzähl‘ es erstmal rum. So habe ich es gemacht. Ich habe meinen Partner gefunden und einen Kunden, bevor wir das erste Kompotoi Häuschen gebaut haben. In Gesprächen kann ein Projekt direkt verbessert werden und gemeinsam ist es viel einfacher als allein.
2. Lass dich nicht einfach von deiner Idee abbringen. 
Ich hatte ganz am Anfang ein Treffen mit einem Komposttoiletten-Experten. Er installiert Trockentoiletten in Alphütten. Ich habe ihm von der Idee erzählt und er hat mir gesagt, dass es nicht funktionieren würde.

Jojo Linder auf reflecta.network

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