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David Lebuser über Rollstuhl-Skating mit sit’n'skate und die Zerstörung von Stereotypen

Wir wollen die Wahrnehmung von Rollstuhlfahrer:innen in der Gesellschaft verändern und so inklusive Teilhabe ermöglichen.

David Lebuser ist ein deutscher Extremsportler. Er war der erste professionelle Rollstuhl-Skater in Deutschland. Nebenbei bietet er auch WCMX Workshops für andere Rollstuhlfahrer:innen in Deutschland an. Mit Lisa Schmidt und SUPR SPORTS hat er das Projekt sit’n'skate ins Leben gerufen, um stereotype Bilder gegen positive Bilder auszutauschen und andere Menschen zu motivieren. Über die Hintergründe berichtet David Lebuser im Interview.

Interview: Daniela Mahr, Januar 2021
Foto: Pascal Lieleg / Official Bowlshit


Wir arbeiten daran Kids zu selbstbestimmten Erwachsenen zu formen und bereiten die Gesellschaft darauf vor, indem wir ihnen aufzeigen, dass Rollstuhl fahren nicht nur Hilflosigkeit und Traurigkeit bedeutet.

Wie kamst du auf die Idee von sit’n'skate? Was war dein Weg dorthin?

Eigentlich war es eine dynamische Entwicklung. Angefangen dabei, dass ich den Sport nach meinem Unfall für mich selbst entdeckt habe. Lange Zeit war ich dann der einzige Rollstuhl-Skater in Deutschland und spätestens nach meiner ersten Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Kalifornien wollte ich auch in Deutschland eine Szene etablieren.


Zuerst habe ich das mit dem Deutschen Rollstuhl Sportverband gemacht, später dann auch als freiberuflicher Trainer. sit’n’skate ist dann entstanden als ich diese Arbeit gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin Lisa gemacht habe.

Wir waren zu Beginn einfach ein Verbund von zwei Trainer:innen und haben uns mit Aufträgen über Wasser gehalten. Das große Ziel hat sich so aber nicht in Angriff nehmen lassen und zu viele Projekte sind in der Schublade geblieben. Der Kontakt zu SUPR SPORTS hat dann einiges für uns geändert und uns die Welt der Gemeinnützigkeit eröffnet.



Seit wann gibt es das Projekt in dieser Form?

Als gemeinnütziges Projekt sind wir erst seit Mitte 2020 am Start. Wir haben die durch Corona gewonnene Freizeit genutzt, um alles zu überdenken und umzustrukturieren. Aber bereits vorher liefen viele Projekte ehrenamtlich nebenher. Nun wollen wir diese aber professioneller und nachhaltiger gestalten und endlich auch die Projekte aus der Schublade holen, die bisher nicht gestartet werden konnten.


Der Kontakt zu SUPR SPORTS hat einiges für uns geändert und uns die Welt der Gemeinnützigkeit eröffnet.


Wie beschreibst du die große Vision von sit’n’skate?

Die ganz große Vision wird von unserem Motto „Destroying Stereotypes“ befeuert: wir wollen die Wahrnehmung von Rollstuhlfahrer:innen in der Gesellschaft verändern und so inklusive Teilhabe ermöglichen.

Mit unseren zwei Hauptausrichtungen arbeiten wir zum einen daran Kids zu selbstständigen und selbstbestimmten Erwachsenen zu formen, die dann auch Teilhabe einfordern und zum anderen bereiten wir die Gesellschaft darauf vor, indem wir ihnen aufzeigen, dass Rollstuhl fahren nicht nur Hilflosigkeit und Traurigkeit bedeutet.



Was bietet ihr alles an?


Fest im Plan haben wir unsere monatlichen Rollstuhl-Skate-Treffs. Das sind niedrigschwellige Angebote, die interessierten Rollstuhlfahrer:innen ermöglichen sich dem Sport WCMX (WheelchairMX/Skating) zu nähern. Egal ob man gleich aktiv werden will oder sich mit den anderen nur austauschen möchte. Durch die Regelmäßigkeit erreichen wir vor allem, dass die Kids schnell ihre Rollstuhlfähigkeiten ausbauen können und dadurch auch im Alltag sicherer, selbstbewusster und selbstständiger werden.


Weiterhin kreieren wir Videos und Online Content, der zum einen auch Rollstuhlfahrer:innen eine Möglichkeit bieten soll ihre Rollstuhl Skills zu verbessern, auch wenn sie nicht an unseren physischen Angeboten teilnehmen können. Zum anderen aber auch Skate Videos und Fotos, die den Menschen einfach zeigen wie cool, sportlich und aufregend Rollstuhlsport sein kann.

Und wir planen wir bereits Ferienangebote, wie z.B. Sommer Camps und inklusive Skate Jams, bei denen der Event-Charakter im Vordergrund steht, um Skateboard, BMX und andere Szenen genauso anzusprechen wie die WCMX und Rollstuhl-Szene und so inklusive Begegnungen zu schaffen.

Aktuell haben wir außerdem Online-Treffs und spezielle Videos für das Üben zuhause, um im Lockdown nicht den Kontakt zu den Teilnehmer*innen zu verlieren.



Es entsteht langsam eine Szene, die sich auch außerhalb unserer Veranstaltungen in die Skateparks und somit unter die nichtbehinderten Skater:innen mischt.


Wie sind eure Erfahrungen bislang mit den Workshops und Angeboten?

Unsere Erfahrungen sind durchweg positiv. Wir haben es geschafft eine Plattform zu kreieren, bei der man Sport und Fitness mit alltagsrelevanten Skills und Themen verbinden kann. Das Angebot wird sehr gut angenommen und die Nachfrage wächst eigentlich stetig.


Wir können an vielen kleinen Beispielen unsere Motivation auftanken, da wir sehen wie sich die Kids entwickeln und teilweise in wenigen Wochen wirklich gravierende positive Veränderungen zu erkennen sind, welche uns auch von den Eltern berichtet werden. Die Rückmeldungen sind positiv und es entsteht langsam eine Szene, die sich auch außerhalb unserer Veranstaltungen in die Skateparks und somit unter die nichtbehinderten Skater:innen mischt.



Wo lagen die größten Hürden auf dem Weg und wo habt ihr Informationen und Unterstützung erhalten?

Hürden finden wir immer noch öfter als uns lieb ist, aber das liegt größtenteils daran, dass weder Lisa noch ich gut mit Bürokratie umgehen können. Es sind also meistens eher die organisatorischen Hürden gewesen, die uns ausgebremst haben und hier haben wir mit SUPR SPORTS einen kompetenten Partner gefunden, der uns hilft diese Hürden zu meistern.


Lieber auch mal Chancen selbst erschaffen und von Rückschlägen nicht entmutigen lassen!


Was würdest du einem gerade mit sit’n’skate startendem David aus heutiger Sicht raten?

Eigentlich hat sich alles immer zum richtigen Zeitpunkt ergeben, aber vielleicht würde ich ihm raten auch schon mal vorauszugehen und nicht immer nur zu warten bis sich eine Chance ergibt. Lieber auch mal Chancen selbst erschaffen und von Rückschlägen nicht entmutigen lassen!

Wo soll die Reise für euch in den nächsten Jahren hingehen? Und: Wie kann man euch auf diesem Weg unterstützen?

In naher Zukunft hoffe ich, dass wir in weiteren Städten ein regelmäßiges Skateangebot für Rollstuhlfahrer*innen ins Leben rufen können und wir dafür und weitere Projekte eine solide Basis schaffen können. In ferner Zukunft könnte ich mir vorstellen, dass sich viele weitere Projekte dazugesellen.


Momentan ist für uns die wichtigste Unterstützung das Weitersagen und Teilen unseres Projekts, um so neue potenzielle Teilnehmer*innen, aber auch Unterstützer*innen und Allies zu finden. Denn ich glaube, dass wir unsere große Vision nur gemeinsam erreichen können!

Was würdest du jemandem empfehlen, der/die selbst eine Idee hat und ein eigenes Projekt starten möchte?

Do it! Man muss manchmal einfach anfangen. Wenn man selbst nicht weiß wie und wo, so wie ich damals ganz am Anfang, dann nutzt Netzwerk-Angebote wie z.B. Barcamps, um vielleicht Partner zu finden, mit denen ihr eure Idee zusammen starten könnt.


Nur wenn wir den Weg ebnen und Diskriminierungen reduzieren kann sich eine Gesellschaft entwickeln, in der alle Platz haben!


Gibt es noch etwas, das ich nicht gefragt habe, auf das du aber gerne eingehen möchtest?

Eine Sache noch, die mir persönlich wichtig ist, die aber genauso zu sit’n’skate gehört ist das Thema Ableismus. Ich würde mich freuen, wenn sich Menschen mehr mit diesem Thema beschäftigen, sich informieren und sich solidarisch zeigen.

Denn genauso wie Rassismus, Sexismus und andere gesellschaftliche Probleme gehört Ableismus zu den Hemmnissen für eine inklusive Zukunft. Und nur wenn wir den Weg ebnen und diese Diskriminierungen reduzieren kann sich eine Gesellschaft entwickeln, in der alle Platz haben!

David Lebuser auf reflecta.network

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